Mittwoch, 30. April 2025

Bedrohungen

Der Grund, warum ich mich in den letzten Wochen aus den Medien herausgehalten habe:
Anfang April habe ich einen anonymen Drohbrief erhalten:


Bildbeschreibung: Ein computergeschriebener Zettel mit Text (unkenntlich gemacht), dazu eine 9mm-Patrone

Transparenzhinweis: Auf dem Bild habe ich Inhalt und Aufbau des Textes unkenntlich gemacht. Ich werde darin mit »Kollegenschwein« angesprochen. Die Aussage enthält eine Drohung mit Konsequenzen, wenn ich nicht aufhöre, mich zu äußern.

Dieses Schreiben erreichte mich in meinem unmittelbaren Privatumfeld. Also in meinem Safe Space, und das nicht nur metaphorisch, sondern wegen einer geschützten Wohnanschrift tatsächlich genau dort - an dem Ort, an dem auch meine Familie, meine Kinder, sich sicher fühlen sollen.

Offensichtlich bezweckt man damit, mich zum Schweigen zu bringen, da ich bei Fällen von polizeilichem Fehlverhalten oder illegitimer Polizeigewalt eben das nicht tue.

Und leider muss ich gestehen, dass mich dieser Vorfall zwar nicht verängstigt, aber doch stark verunsichert. Insbesondere die "Beilage" (es scheint sich um Echtmunition zu handeln) bedeutet eine starke qualitative Zunahme dessen, was ich seit Jahren an Einschüchterungsversuchen und Bedrohungen erlebe.

Und ja: vermutlich passt dies nur allzu gut in die allgemeine gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland, wo die Sprache verroht ist wie seit Jahrzehnten nicht mehr und wo Taten den Worten folgen. Wo »Nie wieder!« nach Meinung Vieler nur ein »Vogelschiss« ist.

Doch von Rechts werde ich seit rund elf Jahren beleidigt, verleumdet und diffamiert. Was mich hier wirklich am meisten erschüttert, ist der Kontext zu meinem Beruf. Also die Möglichkeit, dass die Drohung aus den eigenen Reihen kommen könnte.
Bin ich schon seit vielen Jahren auf meinen Dienststellen stets eine - wohlwollend formuliert - in der Kolleg:innenschaft umstrittene Person gewesen, haben sich die Anfeindungen im unmittelbaren persönlichen Umgang auf das "übliche" Mobbingmaß beschränkt, also böse Blicke, nicht grüßen, übelmeinende Gerüchte über mich in die Welt setzen oder Türen vor meiner Nase zuschlagen.

Doch vor allem außerhalb meiner eigenen Dienststellen gab es seit Jahren immer wieder Menschen, die als Polizeikolleg:innen keinen Hehl aus ihrer starken Abneigung gemacht hatten:


Bildbeschreibung: Screenshot eines Postings auf Twitter, Text »Kollegenschweine konsequent ausgrenzen. (ovd)«

Transparenzhinweis: Auf dem Bild habe ich den Klarnamen und das Profilbild des Urhebers unkenntlich gemacht, um die Person nicht zu exponieren. Der Kollege (ja, es ist einer) hatte sich bei mir per Mail entschuldigt: es täte ihm leid. Allerdings erst nachdem er von einer Strafanzeige Kenntnis erhielt. Das Verfahren wurde eingestellt, da er dort plötzlich angab, er hätte mich gar nicht beleidigt und das Posting sei nur ein "Missverständnis". Justiz nickt ab.

Auch gab es oft mehr oder weniger deutliche Gewaltdrohungen bzw. öffentliche Bekundungen, die Gewalt gegen mich gutheißen:


Bildbeschreibung: Screenshot eines Postings auf Twitter, Text (sic) »@vonDobrowolski und dessen abgesonderten Kommentare hier - da fragt man sich schon irgendwie : wo ist die gewaltbereite, kriminelle ANTIFA, wenn man sie mal braucht ?«
 
Transparenzhinweis: Auch auf diesem Bild habe ich den Klarnamen und das Profilbild des Urhebers unkenntlich gemacht, um die Person nicht zu exponieren.

Diese Postings wurden übrigens alle nur Monate nach dem Mord an Walter Lübcke verfasst, der von einem Rechtsextremisten hingerichtet wurde, weil er eine menschenfreundliche Politik betrieb.
In diesem Kontext stieß mir damals auch das folgende Posting übel auf, in welchem ein der rechtspopulistischen Polizei-Bubble zuzuordnender Account öffentlich unter Bezugnahme auf ein Interview mit mir fragt: »Gibt es Niemanden, der ihn stoppt?!«



Bildbeschreibung: Screenshot eines Postings auf Twitter als Antwort auf einem meiner Tweets, Text (sic): »Erst ist die #Polizeifamilie ein Unwort (wird teils sogar von offiziellen Polizeiaccounts genutzt) und gleich im nächsten Tweet stuft er die #Polizei in derselben Stufe ein wie die Mafia. Es reicht! Das ist keine Kritik, er schadet der Polizei. Gibt es niemanden der ihn stoppt?!«

Tja, für mich irgendwie ein klassischer Fall von "How It Started ... And How It's Going".

Aber warum habe ich geschwiegen? Und warum melde ich mich jetzt (doch)?
Nun, einerseits habe ich die Angelegenheit selbstverständlich gemeldet. Deshalb wollte ich auch in der allerersten Zeit nicht den Eindruck aufkommen lassen, ich könnte durch die Einbeziehung der Öffentlichkeit die Ermittlungen stören. Außerdem hatte ich Sorge, dass mir ebendiese "Fans" gewiss vorwerfen werden, ich nutze den Vorfall nur, um mich als Opfer zu inszenieren. Aber diese Angst zerstreute sich zunehmend. Auch durch einen Kommentar eines ganz wunderbaren Menschen, dem ich mich in dieser Sache anvertraut hatte und der mich wissen ließ »Sollte irgendjemand einem Menschen, der eine Pistolenpatrone geschickt bekommt, "Opferinszenierung" vorwerfen, soll derjenige dringend zur Hölle fahren.«.

Auch nicht ganz unwichtig war mir die Veröffentlichung, weil Angriffe auf den von mir sehr geschätzten Journalisten Nick Potter und ähnliche Drohungen gegen einen jungen linken Politiker in Ostberlin das selbe Muster aufweisen: Menschen zum Schweigen zu bringen, die sich gegen Menschenfeindlichkeit einsetzen.
Das will ich so nicht akzeptieren. Niemals.

Allerdings will ich mich heute auch komplett ehrlich machen:
Ganz unabhängig davon machen mir die Nachteile, die ich im Dienst aufgrund meines Rufs als kritische Stimme erfahre, zunehmend Probleme. Exemplarisch schildere ich dies anhand von drei Beispielen nur aus den letzten zwei Jahren:

Nach einer rund einjährigen Episode mit einem freundlichen und wertschätzenden Dienstgruppenleiter bekam ich vor knapp zwei Jahren ganz plötzlich einen neuen Vorgesetzten. Dieser engagiert sich ebenso öffentlich zur inneren Sicherheit, allerdings politisch gänzlich anders verortet (was nicht schlimm ist). Direkt im ersten Gespräch ließ er mich seine Abneigung wegen meines außerdienstlichen Engagements spüren (was schon schlimm ist). Wirklich bitter wurde es aber, als er in weiteren Gesprächen ungebührlich und übergriffig über eine Person meines unmittelbaren Umfelds sprach und ich dann herausfand, dass er diese Person über Jahre hinweg belästigt hat. Ein von Amts wegen eingeleitetes Strafverfahren des LKA wurde eingestellt (womit ich leben muss und kann), aber die wirklich üble Entwicklung sollte erst noch kommen: Trotz meiner sofortigen und ausdrücklichen Bitte, von dieser Person wegversetzt zu werden, vergingen ganze 13 (in Worten: dreizehn) Monate, bis man mich endlich umgesetzt hat. Monate, die mir seelisch schwer geschadet haben.

Oder der Fall eines Dauerbeschwerdeführers, der sich zur Aufgabe gemacht hat, mich und andere als kritisch gelesene Polizist:innen in Deutschland zu stalken, zu diffamieren, zu beleidigen und x-fach bei ihren Dienstbehörden mit Beschwerden anzuschwärzen. Im übrigen selbst ein Polizist. Als wäre dies nicht unerfreulich genug, kam es auf Nachfrage des Petenten jüngst zu einer förmlichen Äußerung meiner Behörde an diese Person, die so interpretiert werden kann, dass ich ein bekannter Störenfried sei, gegen den fortlaufend und intensiv intern ermittelt wird und dessen öffentliche Statements einer dauerhaften Überwachung unterliegen.
Dies ist einerseits unwahr und andererseits hätte selbst wenn eine solche amtliche Äußerung aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes und der behördlichen Fürsorge nicht stattfinden dürfen. Die Person hat den Inhalt des Schreibens im Internet veröffentlicht, somit war das Ziel aus meiner Sicht, meine kritischen Beiträge durch diese Maßnahmen zu unterdrücken, indem ich aus Sorge oder Verunsicherung künftig schweige. Ob mit Vorsatz oder "aus Versehen" - meine eigene Behörde beschneidet meines Erachtens somit mein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung im außerdienstlichen Bereich.
Hiergegen gehe ich vor.

Und schließlich auch die wiederholte Unausgewogenheit, mit der Ermittlungen durchführt wurden, die einen Bezug zu meiner Person haben:
Bei diversen Straftaten, die ich als Geschädigter angezeigt hatte, landeten diese Verfahren regelmäßig zur Bearbeitung in so genannten Abschnittskommissariaten der Berliner Polizei. Dort werden Fälle der geringfügigen Kriminalität von Kolleg:innen ohne kriminalistische Fachausbildung verfolgt. Selbstverständlich führte keine der vielen Anzeigen zu einem Erfolg.
Im Gegensatz dazu wurde eine Ermittlung gegen mich aufgrund einer Anzeige durch einen Polizeibeschäftigten, der vielfach durch öffentliche rechtspopulistische Statements auffiel, beim Staatsschutz des Landeskriminalamts geführt, inklusive diverser strafprozessualer Eingriffe und eines 22-seitigen Ermittlungsberichts, in dem detailliert meine öffentlichen Meinungsäußerungen gelistet wurden.
Da der Vorwurf unbegründet war, wurden die Ermittlungen mangels Tatverdachts dann von der Justiz eingestellt.
Die Unterschiede bei den Eingriffsintensitäten sind frappierend. Die gesetzten Prioritäten kann ich schwer nachvollziehen.

All das waren meines Erachtens nur einige der Vorbeben für das, was ich momentan erlebe. Wobei die Angriffe von rechten Krawallmachern erwart- und beherrschbar sind. Der eigentliche Tiefschlag für mich geht von meiner Dienstbehörde aus, die nicht nur teilweise jede Fürsorge vermissen ließ, sondern Attacken gegen mich und/oder mein Umfeld bagatellisiert hat.
Die gegenwärtige Bedrohungssituation rundet diesen seit Jahren bestehenden Zustand ab.

Ich habe momentan viele Fragen, aber trotz schlafloser Nächte keine brauchbaren Antworten.


7 Kommentare:

  1. Frau Faser hat ja wenigsten noch einen Focus ( wenn auch nur einäugig) auf Rechtsextremismus gehabt aber dieser Rechte Mob der wird jetzt mit einem Alexander Dobrindt als IM und de Vrieß als sein STS im BMI wohl vollkommen unkontrolliert wuchern und den Boden für 2029 für die AfD fruchtbar machen und schon mal viele zarte Pflänzchen des rechten Spktrums gedeihlich wachsen lassen. Grün und links wird nach altbekanntem Schema kriminalisiert bis keiner mehr sich Zivilcourage traut. Warum alle über den völkischen Weimer, der ja "nur" Kulturminister wird ,reden aber keiner über Dobrindt der hier die Exekutivgewalt ausüben darf von einer stark rechtslastigen Legislative im Bundestag wohl zu jeder Zeit dabei Unterstützung bekommen wird wenn ersie braucht. Da kommt etwas unheimlich ins Rutschen. einen Scharfmacher wie Dobrindt hätte die SPD niemals auf die Zivilgesellschaft loslassen dürfen.

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  2. Volle Solidarität, lieber Olli!

    C.

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  3. Kathrin Beuster-Keim30. April 2025 um 21:01

    Ich kann mich nur ein wenig in deine Situation hineinversetzen, was Dir nicht hilft. Aber ich kann Dir sagen, Deine Stimme ist wichtig. Sehr wichtig. Mehr zu sagen steht mir nicht zu. Danke für Deinen Einsatz.

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  4. Ich bin fassungslos, wie mit Polizisten umgegangen wird, die das tun,wozu sie verpflichtet sind: antifaschistisch zu sein, sprich: sich an das Grundgesetz zu halten. Vielen Dank für den mutigen Einsatz, wenn auch: passen Sie auf sich und Ihre Familie auf!!!

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  5. Ich würde ja gern vermuten, dass es nur ein paar wenige rechte braune Stellen sind, die den Apfel verderben. Allerdings beschleicht einen da mit der Zeit ein ganz ungutes Gefühl. Danke für deine Transparenz - und volle Solidarität!

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  6. Vielen Dank für die wichtige Arbeit!

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  7. Ich finde es extrem mutig und wichtig was du machst. Gegenwind bedeutet, dass es wirkt.

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