Mitten aus dem Urlaub melde ich mich wieder zu Wort.
Warum "wieder?"
Mein Hauptmedium, mein Lieblingskanal war und ist Twitter. Diesem Dienst habe ich viel zu verdanken, über Twitter habe ich eine Menge wunderbarer, warmherziger und solidarischer Menschen kennen gelernt. Viele sogar persönlich.
Wer sich offen positioniert und mit Klarnamen und Profilbild sowie Hinweis zum sonstigen Leben, also z.B. Arbeitgeber und Familie, auftritt, erlebt in sozialen Medien viel Hass. So auch ich. Gerade die von mir bearbeiteten Themen treffen in den letzten Jahren zunehmend auf die gesellschaftliche Polarisierung. Und die mental ärmsten Menschen, die nur allzu häufig einer vermeintlichen Gemeinschaft, einem Zusammenhalt der ebenso frustrationsintoleranten und aggressiven, verbal übergriffigen, Andersdenkende ausgrenzenden Gruppierung anhängen, diese Menschen nutzen die viele Freizeit ihres inhaltsleeren und traurigen Alltags dazu, Vertreter:innen einer bunten und vielfältigen Gesellschaft mit dumpfem Hass bewusst an den Rand und darüber hinaus zu drängen.
Die Übernahme von Twitter durch Elon Musk hat für eine weitere Enthemmung, für ein maßloses und vor allem weitestgehend strafloses Anschwellen dieses Hasses gesorgt.
Dass ich persönlich vor allem von stramm Rechts angefeindet werde, hat zu einem gewissen Gewöhnungseffekt geführt. Doch auch hier ist eine Qualitätssteigerung zu beobachten. Und nach wie vor betroffen machen mich Darstellungen, die nur so vor Dummheit strotzen. Oder vor Unverfrorenheit. Insbesondere einen Einsatz gegen das Vergessen der ungeheuerlichen Taten und der untilgbaren Schuld im Dritten Reich ständig zu diskreditieren, ohne jeden Anstand oder Anflug von politischer Intelligenz, das setzt mir stark zu. Denn in diesem Land wollte ich eigentlich alt werden, hier sollten meine Kinder unbeschwert und ohne Menschenfeindlichkeit geborgen groß werden.
Im letzten Jahr hatte ich, auch und vor allem wegen derartiger Daueranfeindungen, meinen Twitteraccount für einige Zeit deaktiviert. Die genauen Gründe kann man hier im Blog nachlesen. Dies fiel zeitlich mit meinem Sommerurlaub zusammen, sodass es niemanden überraschen wird, dass ich mich tatsächlich besser erholen und von diesem Dauerbeschuss kurieren konnte durch diesen Schritt.
Dass ich Ähnliches auch in diesem Jahr erwogen hatte, ist daher eine Tatsache. Dass ich jedoch schon einige Tage zuvor den Schritt ging und sowohl Twitter als auch Instagram auf Eis legte, hatte dann aber doch andere Gründe:
Und ganz selbstverständlich habe ich auch als weißer Cis-Mann in den Sommermonaten, in denen allerorten Pride-Veranstaltungen stattfinden, ein Regenbogenarmband getragen. Auch und gerade mit voller Absicht im Dienst, quasi als Gegenmodell zu exkludierenden Insignien wie den Thin Blue Line-Armbändern, die man an so einigen Handgelenken von Kolleg:innen baumeln sieht. Ich habe all das - wie gesagt selbstverständlich - getan, um Gräben zu überbrücken, um Solidarität und Zuspruch auszudrücken. Dass man mir gelegentlich (wie so häufig) Narzissmus und Berechnung vorwarf, um meine Ansätze zu diskreditieren... geschenkt. Und bereits vor zwei Jahren gab es bereits Widerstände auch aus der queeren Szene, wie ich damals online beschrieben habe.
In diesem Jahr sollte ich nun selbst Teil einer Veranstaltung innerhalb der queeren Szene sein, indem eine Lesung aus meinem Buch im Rahmen des CSD in Rostock geplant war. Dieser Auftritt musste dann aus organisatorischen Gründen recht kurzfristig abgesagt werden. Es hatte meines Wissens nichts mit meiner Person zu tun.
Fast zeitgleich aber erhielt ich erneuten, recht starken Widerspruch zu einem erneut auf Twitter als auch auf Instagram geposteten Soli-Beitrag zur queeren Community. Die Forderung "No Cops At Pride" - die ich schade finde, aber akzeptieren kann - flammte frisch auf. Darüber hinaus wurde ich im Kontext meiner Veranstaltungsabsage in Rostock auch persönlich angefeindet. Ich will und werde hier nicht sämtliche offen und per privater Nachricht eingegangenen Ausgrenzungen und Verunglimpfungen reproduzieren. Allerdings möchte ich der Wahrheit die Ehre geben, dass ich von der Heftigkeit und Vielzahl der Angriffe überrascht wurde. Ich habe über jeden einzelnen Kommentar lange und gut nachgedacht. Diese Zuschreibungen haben mich tatsächlich getroffen und schwer gekränkt.
Warum ist das so, wenn ich doch Hass und Ausgrunzungen in sozialen Medien schon so lange kenne?
Eben weil es aus einem Bereich kommt, der meine tiefe Sympathie besitzt und dessen Vertreter:innen meiner Erfahrung und Einschätzung nach über mehr Empathie und Feingefühl verfügen, als andere Menschen. Das dachte ich zumindest, denn diese Annahme sehe ich nun als revidiert an.
Als die Wortmeldungen zu mir (besser: gegen mich) und meinen Solidaritätsbekundungen innerhalb von Stunden immer mehr Fahrt aufnahmen, habe ich mich - in Ausführung meines oben beschriebenen vagen Plans einer Auszeit zur Urlaubsperiode - entschlossen, die Netzwerke zu verlassen. Dies nicht ohne Ankündigung und Darlegung meiner Betroffenheit.
Da ich also bis zur tatsächlichen Deaktivierung meiner Accounts noch abwartete, konnte bzw. musste ich diverse Verunglimpfungen und falsche Schlüsse zu meinem Schritt lesen. Vor allem, dass ich "bockig" und "kritikunfähig" sei und nun leichthin abhaue, statt mich der Kritik zu stellen. Oft las ich, dass ich nicht den Hauch einer Ahnung von der queeren Geschichte hätte, denn sonst würde ich nicht "zickig" auf den Gegenwind reagieren, sondern hätte die Ausgrenzung einfach hingenommen. Unter Betonung der Forderung, man möchte keine Polizei im Pride, wurde auch darauf hingewiesen, dass ich ja gern privat und ohne Uniform z.B. am CSD teilnehmen könne. Und genau dies indiziert das große Missverständnis, die komplette Verzerrung der Debatte bis dahin: ich hatte nie vor - wieso auch? - im Dienst an irgendeinem solchen Event teilzunehmen. Schon gar nicht in Uniform, weil ich genau weiß, wie das einige Mitglieder der Community triggern könnte. Das war nie der Plan und ich verstehe nicht, wie es zu so einer Darstellung kommen konnte. Das Streitgespräch hatte sich verselbstständigt und den Diskutierenden war es am Ende völlig egal, ob ich bestimmte Dinge tatsächlich gesagt, geschrieben o.ä. habe oder nicht.
Nachdem die Accounts vom Netz waren, folgte die Häme natürlich auf dem Fuße:
Und wer sich nun immer noch fragt, warum mich das alles so (ver-) stört:
Weil durch diese Angriffe, diesen Ausschluss durch eine Gemeinschaft, die sich für Gleichheit und Inklusion einsetzt, nur deren ureigenste Feinde als Gewinner hervorgehen.
Und der Beweis hierfür folgte zeitgleich. Ich habe unzählige hetzerische und schadenfrohe Replies und persönliche Nachrichten aus der rechten Ecke sowie von Mitgliedern der Polizeiblase erhalten. Tenor: "Na, wie fühlt sich das an, von denen verstoßen zu werden, denen man jahrelang den Arsch geleckt hat?"
Schade, bedenkt man, dass...
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Der Tagesspiegel, Artikel v. 22. Juli 2023 |
Wie gesagt: die ganze Angelegenheit hat mich sehr verletzt. Nicht hauptsächlich aus Gründen des Ehrgefühls oder wegen mutmaßlich ausgebliebener "Dankbarkeit" oder Gegensolidarität (denn dies habe ich nie eingefordert und würde es auch nicht), sondern weil es einzig und allein die tatsächlichen Gegner von Vielfalt und Pluralismus stärkt und erfreut. Wenn sich die Guten untereinander zerfleischen, reiben sich die Menschenfeinde Popcorn kauend ihre braunen Klauen.
Und genau so viel Intelligenz und Begabung zu einer solchen Vorhersage hätte ich mir sehr von Menschen gewünscht, für deren Rechte auch ich streite.
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Every one? |
Die Konsequenzen für mich sind - nach nun wochenlanger Überlegung - unverändert: ich werde als Aktivist, der auch für eine queerfreundlichere Polizei und eine bessere Gesellschaft kämpft, nicht mehr an Veranstaltungen der Community teilnehmen. Auch ist mein Regenbogenarmband nun eingemottet und ich werde es nicht mehr tragen. Schade, denn ich habe damit immer sehr gern meine Solidarität zum Ausdruck gebracht, auch und gerade in Kombination mit der Uniform, zu der ich es bewusst nicht abgelegt hatte.
An dieser Stelle will ich mich auch bei Vertreter:innen der queeren Community bedanken, die sich offen innerhalb der Debatte für mich eingesetzt hatten oder deren Zuspruch mich per Direct Message oder E-Mail erreichte. Das bedeutet mir viel, ändert aber nichts daran, dass ich von den beschriebenen Anfeindungen zutiefst erschüttert bin.
Meinen Instagramaccount musste ich übrigens viel früher als geplant wieder aktivieren, da ich von dritter Seite darüber informiert wurde, dass eine (noch unbekannte) Person Identitätsdiebstahl betrieben hatte und ein Fake-Profil erstellte. Leider so überzeugend, dass sogar einige Veranstalter von Events, bei denen ich mitwirkte, auf dieses falsche Profil verlinkt hatten.
Nachdem bereits in der Vergangenheit mehrfach versucht wurde, meinen Twitteraccount zu hacken und zu inkriminieren, ist dies nun der erneute Beweis, dass mit vielen Mitteln versucht wird, mich zu demoralisieren und öffentlich zu diskreditieren.
Nichtsdestotrotz steht für mich fest, dass ich mich nicht von meinem Kurs, von meinem Kampf für eine bessere Welt, vor allem für eine bessere Polizei abhalten lassen werde.
Ich bin zurück. Einstweilen.