Sonntag, 17. Juli 2022

Ein paar aktuelle Gedanken

An dieser Stelle, meinem Blog, melde ich mich die letzten Jahre eigentlich nur, wenn es etwas Besonderes zu berichten gibt.
Dieses Mal ist es nichts konkret "Besonderes". Es sollen nur ein paar Einblicke sein in meinen Alltag, der in den letzten Monaten stark von meinem Beruf und meinem aktivistischen, außerdienstlichen Engagement geprägt wurde.
Dass ich mich in einer Zeit melde, in der gerade wieder über neu enttarnte Chatgruppen innerhalb der Polizei berichtet wird, in denen rechtsextreme und menschenfeindliche Inhalte ausgetauscht wurden, eine Zeit, in der ein Bundeswehroffizier mit rechtsextremen, perfiden Tötungsplänen politischer Gegner seine Verurteilung entgegennahm - all das ist tatsächlich nur ein Zufall, der aber einiges darüber aussagt, wie es um die Sache steht, für die ich öffentlich kämpfe...

Und: viele Menschen fragen nach, wie es mir geht. Regelmäßig. Aufrichtig interessiert, manchmal besorgt.
Dafür bin ich sehr dankbar; diese Art der Wertschätzung bedeutet mir viel, denn ich habe mich vor Jahren bereits in einen Bereich begeben, der alles andere als eine Komfortzone darstellt.

Aber das wichtigste gern zu Beginn: die guten Nachrichten!
Seit dem 1. April und somit am Tage meines 24-jährigen Dienstjubiläums bin ich Mitarbeiter meiner Traumdienststelle.
Das habe ich mir quasi erarbeitet, denn dorthin konnte ich im Rahmen einer so genannten "Wunschdienststellen-Option" wechseln, welche ich durch mehrjährige Tätigkeit in einem früheren Dienstbereich erlangt hatte.

Ich arbeite nun im Südwesten Berlins auf einem Polizeiabschnitt, so nennt man in Berlin die Basisdienststellen der Schutzpolizei, die erster Anlaufpunkt der Bürger:innen sind.
Ich habe diese Wahl bewusst und wohl überlegt vorgenommen, denn dort kann ich meinem Wunsch nach Bürger:innennähe und Basisarbeit auf der Straße noch besser nachkommen als zuvor.

Die ersten Monate haben mich nicht enttäuscht. Ich bin hochzufrieden mit dem Arbeitsgebiet, habe tolle, engagierte und motivierte Kollegen und wunderbare, faire Vorgesetzte und die Arbeit macht so viel Spaß, dass ich am Ende so mancher 10- oder 12-Stunden-Schicht irritiert war, dass ich "schon" nach Hause musste.

Dann habe ich Ende Mai auch noch das Ehrenzeichen für besondere Leistungen im Dienst erhalten.
Das hat mich sehr gefreut. Aber ich schreibe hier davon aus einem bestimmten Grund - und lenke somit auch schon langsam über zur eher belastenden Thematik:
Nachdem es öffentlich wurde, erhielt ich vielfache Glückwünsche. Dafür meinen Dank. Allerdings haben viele der Gratulanten irrig angenommen, ich hätte diese Auszeichnung für mein Engagement für eine bessere Polizei erhalten.
Dies musste ich dann leider gerade rücken, denn dieses Ehrenzeichen erhielt ich gemeinsam mit Dutzenden anderer Kolleg:innen, weil wir zwischen 2002 und 2021 in Afghanistan Dienst taten. Ich will das auch nicht kleinreden und es ist eine nette Geste.
Aber es ist auch spannend, von der Innenbehörde geehrt zu werden, die noch im März medial kundtat:

Die Aussagen von Herrn von Dobrowolski entsprechen nicht der Realität und werden den vielfältigen Maßnahmen gegen Rechtsextremismus von Polizei und Innenverwaltung nicht gerecht.

Es ging um ein Interview mit dem RBB anlässlich der Veröffentlichung meines Buches. Ich fand es schon bemerkenswert, dieses Statement zu lesen, da medial gerade wieder viel über rechtsmotiviertes Fehlverhalten von Polizist:innen in Deutschland allgemein und in Berlin im Besonderen zu lesen war.

Nun, und da wir schon bei dem Ehrenzeichen sind und gerade von politischem Engagement reden:
Im vorletzten Jahr wurde auch schon einmal ein Polizist derart ausgezeichnet. Sogar jemand, der in der Polizei-Blase auf Twitter kein Unbekannter ist. Seine Leistung: er ist gewerkschaftlich tätig für die populistische und rechtsoffene DPolG. Und nebenbei hetzt er gegen migrantisierte Menschen und Andersdenkende. Das war damals sogar dem Tagesspiegel eine Meldung wert:


Nun, jetzt seht ihr, warum mir die Erwähnung dieses Ehrenzeichens doch wichtig war. Denn es sagt gewiss einiges darüber aus, welches außerdienstliche Engagement als Polizist:in in Berlin goutiert wird und welches eher nicht.
Prioritäten. So wichtig.

In dem Zusammenhang möchte ich aber doch noch eine (gute!) Sache loswerden: Ende Februar kam es - im Kontext mit der genannten Medienberichterstattung über meine Buchveröffentlichung - zu einer Einladung in das Polizeipräsidium.
Die Frau Polizeipräsidentin und der Herr Polizeivizepräsident luden mich zu sich. Ich hatte ordentlich Puls, denn wie manche Beobachter:innen meiner Bemühungen wissen, verliefen in der Vergangenheit so einige Gespräche auf höherer Ebene nicht eben fair und vertrauensbildend.
Aber nicht so diesmal - zu meiner überaus positiven Überraschung hatten wir ein langes und ausführliches Gespräch zu dritt, in dem es um mein Engagement und meine Lösungsansätze ging, für die man ernsthaftes Interesse zeigte. Ich empfand diesen Termin als sehr wertschätzend und bin dafür dankbar.

Ansonsten verliefen die vergangenen Monate in Bezug auf meine öffentlichen Statements ähnlich wie die Jahre zuvor: ich erhalte viel Unterstützung und Rückmeldung von Menschen, denen meine Worte gerade im Kontext meiner beruflichen Stellung wichtig sind. Und diese Meldungen geben mir viel und schaffen es manchmal, den Akku wieder etwas zu füllen.
Ihnen entgegen stehen aber all die hasserfüllten, hetzenden und beleidigenden Antworten auf meine Tweets, auf Fotos auf Instagram oder auch direkt per Mail.


Einige beschweren sich auch regelmäßig, wie ich in Uniform am 9. November Stolpersteine putzen könne, das wäre ja politisch nicht neutral. Andere haben kein Problem damit, sich über diese Geste noch ganz anders lustig zu machen.



(Hinweis: die übelsten Nachrichten stelle ich hier nicht zur Schau, um sie nicht noch inhaltlich zu reproduzieren.)

Ich habe ehrlich gesagt aufgehört, diese Nachrichten zu zählen oder (wenn sie strafbar waren) zu melden. Die Quantität macht das nicht möglich.

Wenn ich oben schreibe, wie viel Zuspruch und Liebe mir durch die ganzen positiven und bestärkenden Nachrichten zuteil wird, dann ist dies ein wichtiger Anker für mich. Doch muss ich auch feststellen, dass so ein Candystorm es meist nicht vermag, die Shitstorms auszugleichen.
Vielleicht liegt es an mir und ich bin fehlerhaft gestrickt, bekomme keinen richtigen Fokus mehr hin. Der Selbstschutz ist nicht mehr in Ordnung...

Viele Menschen arbeiten sich an mir ab, weil sie einerseits meine Thesen falsch finden. Zunehmend wird mir aber auch Selbstdarstellungsdrang angedichtet, um mich und meine Positionen abzuwerten. Das ist ein bekanntes Muster, aber ich muss auch hier sagen, dass mich das nicht kalt lässt.
Kommen noch die üblichen Beleidigungen und Zuschreibungen hinzu (beispielsweise der Evergreen des "Nestbeschmutzers"), fühle ich mich schlecht. Es kränkt mich.



Dazu muss ich sagen, dass ich durch meine vielen Pressekontakte natürlich ein bestimmtes Bild von Journalist:innen und Medienschaffenden gewonnen habe in den letzten paar Jahren.
Und dieses Bild war gut. Es war sogar herausragend. Umso überraschter und auch schockierender war es für mich, im Frühjahr ein großes Portrait über mich im Stern zu lesen, welcher (ohne Rücksprache mit mir) nicht nur sehr krass getitelt hat...


...sondern auch inhaltlich ein Bild von mir gemalt hat, das mich zutiefst erschrocken und verunsichert hat. Es war die Rede von einem desillusionierten, getriebenen, ja gehetzten Menschen, der sich bei seinem Kampf für eine mutmaßlich bessere Sache aufreibt und kaputt geht.
Ich wusste natürlich von dem Bericht. Da es sich um ein Langzeitportrait von mir handelte, hatte ich mich mit dem Journalisten häufig getroffen und er hat mich mal bei alltäglichen Dingen in meinem Privatleben, mal beim Engagement für BetterPolice, mal im Dienst beobachtet. Wir haben uns prima verstanden und das fertige "Produkt" hat mich daher auch umso mehr getroffen.
Warum war das so, frage ich mich noch heute. Klar, ich hätte mir einen weniger düsteren Text gewünscht, der eher meine Ziele und das unbestrittene Verbesserungspotential der Polizei in den Fokus nimmt. Aber vielleicht hat es mich auch so getroffen, weil Vieles wahr ist? Denn meine Wirkung kann ich selbst nicht zureichend einschätzen, da leisten Außenstehende einen besseren Job...


Eine weitere Sache muss ich noch anbringen, denn sie ist es, die mir in den vergangenen Monaten am meisten zu schaffen machte:
Seit langem berichte ich auch öffentlich über Häme, Hass und Hetze, die mich vor allem im Internet trifft. Die exponierte Besprechung dieser Vorfälle hilft mir, denn so verarbeite ich das besser und die meist bestärkenden Kommentare geben mir Kraft. Doch all dies ist häufig Hatespeech von bösartigen, frustrierten, missgünstigen Menschenfeinden. Es ist quasi ihr Geschäftsmodell, andere anzuvisieren und mit Hass zu beschießen. Diese Umstände zu erkennen, macht das Verarbeiten all der schlechten Dinge einfacher.
Aber nur selten in all den Jahren meines aktivistischen Engagements (seit 2013) kamen die Menschen, die mich für meine Aussagen und Handlungen auf unsachlicher und persönlicher Ebene angefeindet hatten, aus meinem unmittelbaren sozialen Umfeld.
Dies sollte sich nun ändern, als auf einer früheren Dienststelle Missstände auftraten, zu denen einige Kolleg:innen (u.a. als Geschädigte) und auch ich nicht schweigen konnten und wollten.
Ich werde hier keine Details veröffentlichen. Vor allem weil meines Wissens die eingeleiteten Verfahren, zu denen auch ich Zeuge war, noch nicht gänzlich abgeschlossen sind.

Was sich nach Beginn der offiziellen Ermittlungen dann für einige Mitarbeitende und auch für mich zutrug, kann ich auch heute nur schwer begreifen. Eine ungeahnte Dynamik trat ein, befeuert von Gruppenprozessen wie Gerüchtebildung, Anfeindungen und Ausgrenzungen. Meine Person betreffend wurde die Legende erschaffen, ich allein hätte die Vorwürfe dramatisiert, zur Anzeige gebracht und würde diese im Sinne meiner Agenda ausschlachten, um meine Thesen voranzubringen. Mir wurde sogar offiziell vorgehalten, dass ich den Ruf intern und extern beschädigt hätte.
Solche Vorhalte machen mich nicht nur traurig und fassungslos, sie sind auch einfach falsch.
Es zeigt nur wieder, dass "derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher gilt als derjenige, der den Schmutz macht" (Kurt Tucholsky).
Und all das, obwohl ich mich in der Phase, als die Vorwürfe damals öffentlich wurden, nicht offen dazu geäußert hatte:


Aber mir wurde in den Monaten danach immer wieder fälschlich vorgehalten, dass ja ich derjenige wäre, der Interna an die Presse herausgibt. Der bewusst und gewollt das Image der eigenen Dienststelle beschädigt. Das sollte der Plot sein. Es ging den Leuten nicht um die tatsächlichen Probleme und Missstände, um die man sich vielleicht mit einer Portion Eigenkritik und einer Prise Demut kümmern sollte.

Den Vorfällen - zumindest bis zum Stand Sommer 2021 - habe ich auch einigen Platz in meinem Buch eingeräumt. Das war gut zum Verarbeiten. Nur wusste ich damals nicht, dass die richtigen Probleme erst noch beginnen sollten.

Was soll ich sagen... die akute Angelegenheit ist nun nach über acht Monaten immer noch nicht geklärt und wie ich neulich erfahren habe, wird bestimmten Mitarbeitenden dort, die mir noch nahestehen, nach gewissen Äußerungen von mir ohne schlüssigen Beleg eine Art "Mittäterschaft" zugerechnet. Das alles tut mir im Herzen und der Seele weh, dass man nun schon grundlos auf andere losgeht, nur weil sich diese nicht im Sinne eines Korpsgeistes von mir distanzieren. Sippenhaft 2.0.

Besonders unangenehm: Es ist belegbar, dass einige der Menschen, die mir von der früheren Dienststelle persönlich bekannt sind, im Kontakt und Austausch mit Angehörigen der Polizei-Blase stehen, die mich bereits seit Jahren im Netz diffamiert. Die Qualität der Anfeindungen wurde somit noch einmal gesteigert:

Über meine Person wurden in den vergangenen Monaten wahrheitswidrig diverse Gerüchte verbreitet. Die widerwärtigsten davon betreffen mein Familienleben, verleumden mich und greifen unmittelbar meinen privaten Frieden an.

Von Kolleg:innen wurde mir berichtet, dass andere Polizist:innen Fantasien austauschen, mir körperliche Gewalt anzutun.

Mehrere Journalist:innen haben sich an mich gewandt und um ein Statement zu der These gebeten, dass ich mit dem Wechsel auf meine neue Dienststelle "von der Behördenleitung strafversetzt wurde". Auch hier wird bewusst ein Narrativ geschaffen, das mich persönlich, meinen Leumund und meine dienstlichen Umstände angreift. Und die Wahrheit wird auf Links gedreht.

In den vergangenen Wochen kam es zu mehrfachen Versuchen, meine Social Media-Accounts zu hacken. Dies konnte durch technische Vorkehrungen bislang abgewehrt werden.

Man versucht also mit allen Mitteln, eine Stimmung gegen mich aufzubauen und schreckt auch vor abscheulichen Schritten nicht zurück.

Nie habe ich etwas anderes gewollt, als eine wichtige und herausragende gesellschaftliche Institution, die ich durch meine Tätigkeit mitgestalten darf, zu verbessern.
Es ging mir hierbei nie um Likes, Klicks oder Reichweite. Das Anwachsen meiner Followerschaft und somit auch meiner Popularität habe ich nie als Ziel gehabt. Ich habe dies ebenso wenig geplant wie das Schreiben eines Buches. Es waren immer andere Menschen, die mein Tun von der Seitenlinie verfolgt haben und mir - wofür ich dankbar bin - durch Hinweise, Feedbacks und Coaching den Weg gewiesen haben und dafür sorgten, dass all diese wunderbaren Dinge geschehen konnten und ich vielen Menschen etwas von dem verlorenen Vertrauen wiedergeben konnte.

Dass der Einsatz derart hoch ist, habe ich nie geahnt. Und glaubt mir, ich hätte da auch gern drauf verzichten können. Auf jede Aufmerksamkeit. Mein Nervenkostüm, mein Seelenheil und auch meine dienstliche Karriere wären heute sicher weitaus weniger beschädigt, hätte ich nie den Schritt in die Öffentlichkeit gewagt.

Was ich seit Jahren erfahre, vor allem aber - wie beschrieben - seit den letzten Monaten, ist für mich kaum erträglich. Es tangiert mein Privatleben und nimmt somit auch die Menschen in den Fokus, die ich am meisten liebe.

Die Kraft, die sich aus der Missgunst und dem Hass entwickelt, zerstört Menschenleben. Die Art und Weise, wie mit mir und anderen kritischen Menschen umgegangen wird, ist eliminatorisch.
Reihenweise ziehen sich Aktivist:innen aus bestimmten sozialen Medien und somit aus der Öffentlichkeit zurück und überlassen den Hetzer:innen das Feld.

Unter Hinweis auf meine aktuelle, sehr gute dienstliche Situation denke ich, auch diese Widrigkeiten meistern zu können. Die Wertschätzung und Fürsorge, die ich auf meiner jetzigen Stelle erfahre, ist beispiellos.

Nichtsdestotrotz hat mir die Zeit von letztem Herbst bis Frühjahr gezeigt, wie viel Kraft verbraucht wird durch Hass und Intoleranz.
Ich wünsche mir so sehr, dass wir als Gesellschaft endlich Wege finden, diese Spirale zu durchbrechen. Vielleicht tun sich genügend Menschen zusammen, um noch effizienter gegen Menschenfeindlichkeit vorzugehen.

Danke für eure Aufmerksamkeit.
Und nun habt einen guten Sommer, macht hier nichts kaputt und seid lieb zueinander.
💜✊🏼


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