Dienstag, 24. Januar 2017

Wie tickt die Polizei?

Bevor ich als junger Erwachsener den Weg zur Polizei fand, machte ich mit der Polizei unterschiedliche Erfahrungen. Ich erlebte aufopfernde Hilfsbereitschaft und professionelle Ausübung des Berufs als Berufung. In diesen Beobachtungen war auch der Trigger, der Schlüsselmoment enthalten, der mich an den Polizeiberuf glauben ließ. Natürlich gab es auch weniger schöne Feststellungen. Das bleibt nicht aus bei einer Institution, die qua gesetzlichem Auftrag in die Grundrechte der Mitmenschen einschneidet. Hier ist die feine Unterscheidung wichtig: wann ist es legitimiert und beanstandungsfrei und wann ist es willkürlich und unprofessionell. Ein verdammt schmaler Grat.
Es hat dann eineinhalb Jahrzehnte gedauert, bis ich entschloss, mich auch aktiv politisch in Sachen Innenpolitik einzubringen. Im Zusammenschluss PolizeiGrün fand ich hierfür eine ideale Heimat, denn die Vereinsziele bilden eine weltoffene, diskriminierungsfreie, bürgernahe und eigenkritische Polizei ab. Eine Polizei, wie ich sie mir wünsche.
Seitdem gab es bei der Verteidigung dieser Ziele und der dazugehörigen Thesen öfter mal harten Gegenwind, gern auch ordentlich Fratzengeballer, wie manch einer es ausdrücken würde. Ein Grundmissverständnis hierbei ist meiner Meinung nach, dass verkannt wird, dass ich freilich für die oben genannten Attribute einstehen und wirken kann, ohne gleichzeitig die Polizei an sich abzulehnen oder pauschal abzuurteilen. Denn das ist Unsinn und diese undifferenzierte "Wer die Polizei nicht (unkritisch) liebt, kann sie nur hassen"-Einstellung führt nur zum Dissens, zum Bruch.
Gerade in den ersten Wochen dieses neuen Jahres wurden einige Akzente gesetzt, die eine recht hitzige Atmosphäre entstehen ließen: Die Nachwirkungen des in Deutschland angekommenen Terrors, die erneute Zuspitzung einer polizeilichen Lage am Kölner Hauptbahnhof, all dies ließ die Volksseele hochkochen und heftig diskutieren. Ahnung und Sachverstand waren für eine Teilnahme nicht nötig.
Und gerade in dieser Zeit habe ich eine Petition initiiert, die auf größere Meinungsvielfalt in Sachen Innen- und Sicherheitspolitik in unserem Land abzielt und vor allem mehr Qualität, Faktentreue und Besonnenheit erreichen möchte.
Die darauf folgenden Anfeindungen und Beschimpfungen waren in ihrer Anzahl und Heftigkeit erstaunlich. Vor allem: sie kamen fast vollständig aus dem rechten und ultrarechten politischen Lager. Das hat mich und meine Mitinitiatoren einerseits darin bestätigt, auf solch ein Ungleichgewicht aufmerksam gemacht zu haben. Andererseits macht es mir persönlich aber vor allem eins: Angst.

Schon immer war mir klar, dass Polizist*innen im Schnitt eher rechts der gesellschaftlichen Mitte stehen. Nicht nur hierzulande, sondern fast überall. Der Großteil, so hoffte und dachte ich, im "gesunden Mittelfeld", leider mit einzelnen rechten Ausreißern. Wer nun wieder stöhnt und sich gegen die Stirn schlägt: Einfach mal recherchieren, wie viele Fälle von rechtsnationalen/-radikalen Vorfällen es in den vergangenen Monaten und Jahren bei Polizeimitarbeiter*innen gegeben hat (Identitäre, Reichsbürger, Sympathisanten von rechten Organisationen, Geheimnisverräter, AfD-Mitglieder etc. pp.). Aber klar - wenn sich ein*e Polizist*in mal gegen den Strich positioniert und für linke Inhalte eintritt, ist der Aufschrei groß.

Nach dem vorhersagbaren Aufstand der rechten Trolle zu unserer Petition hat sich aber auch einiges im positiven Sinne getan: Die Unterstützung vieler Menschen mit der Fähigkeit zu empathischem, differenziertem und menschenfreundlichem Denken hat mich erreicht und glücklich gemacht. Hierfür meinen herzlichen Dank. Nachdem in der ersten Woche die Petition vor allem in der rechten Medienwelt Niederschlag fand, haben mittlerweile auch die taz am Wochenende und der Stern darüber berichtet.


Nichtsdestotrotz beschäftigt mich eine Frage so sehr wie selten zuvor: Wie tickt die Polizei?

Dass es in Zeiten von Hatespeech, Fakenews, AfD, PEGIDA, Erdoğan, Putin und Trump rauer und unfreundlicher im öffentlichen Diskussionsraum wird, ist vollkommen klar. Auch, dass dies nicht vor der Polizei Halt macht. Denn auch ein*e Polizist*in ist zu drei Vierteln der Lebenszeit eben nicht im Dienst, hat staatsbürgerliche Rechte und nimmt an gesellschaftlichen Diskussionen teil. Auch war mir immer klar, dass gerade die politische Rechte für Staatsdiener, gerade Polizeibedienstete, als ein attraktiver Partner erscheint: mutmaßlich mehr Wertschätzung, versprochene bessere Ausstattung und vor allem ein konsequentes Vorgehen gegen diejenigen, die für die Polizei angeblich eine Menge Arbeit bedeuten - Geflüchtete, Obdachlose, LSBTTIQ-Menschen, kurzum alle so genannten Randgruppen. Diese Denkweise trifft zum Glück nicht auf sämtliche Kolleg*innen zu. Die beängstigende Frage aber: Auf wie viele genau? Und gerade bei einer Antwort hierauf bekomme ich ab und an Gänsehaut...

Tatsache ist, dass sich jetzt auch eine Gruppierung "Polizei wählt AfD!" formiert hat. Möglicherweise sogar als Replik der jüngst vorgetragenen Kritik an der empfundenen Rechtslastigkeit. Ganz sicher aber auf der Welle rechtspopulistischer Äußerungen eines Rainer Wendt. So überrascht auch nicht, dass die Mehrzahl der noch überschaubaren Tweets auf dem Twitteraccount @PolizeiAfD eine Wiedergabe von Wendts Phrasen ist.

Twitteraccount @PolizeiAfD

Ich beende meine Gedanken mit einer Frage. Seit Beginn des Jahrtausends wird nach dem Auftreten schlimmer rechtsextremistischer Straftaten häufig von einem "Aufstand der Anständigen" gesprochen, wenn mehr Courage gegen menschenfeindliche, die Grundregeln des fairen und respektvollen Umgangs miteinander bedrohende Taten gefordert wird. Gilt dies nicht auch für Polizeimitarbeiter*innen? Insbesondere wenn diese Berufsgruppe als eine Art Seismograph für entscheidende gesellschaftliche Entwicklungen ansehen wird?


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